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Am heutigen Mittwoch (28.06.17) sendet der WDR um 22:10 Uhr die hochinteressante Dokumentation: Leben unter der Tarnkappe - Wenn der Zeugenschutz die Existenz zerstört, die jetzt in der Mediathek zu sehen und sogar als Download verfügbar ist.
Menschen, die ins Zeugenschutzprogramm aufgenommen werden, kommen in dieser Reportage zu Wort. Eine rechtliche Gratwanderung, weil vertraglich festgehalten ist, dass absolute Geheimhaltung herrscht. Wer sich zu detailliert äußert, gerät in Schwierigkeiten. Demzufolge wurde das Aussehen der Zeugen verändert oder sie sind nur hinter einer Schattenwand zu sehen.
Doris Glück (Name natürlich geändert) ist eine der Zeugen, die in das Programm aufgenommen wurden. Sie wurde Hals über Kopf dazu gedrängt und war sich nicht bewusst, was es wirklich bedeutet. Als sie es merkt, ist es zu spät und es gibt kein Zurück.
Dabei fing Alles ganz harmlos an. Sie verliebte sich in einen arabischen Mann, heiratete ihn und beide bauten sich ein Leben in Deutschland auf. Irgendwann veränderte sich ihr Mann, sie reisten nach Bosnien. Doris lernte arabisch und konvertierte zum Islam.
Mit der Zeit belauschte sie Gespräche und fand einen Plan, wie man eine Bombe baut. Sogar Osama Bin Laden lernte sie kennen. In Panik gelingt ihr die Flucht nach Deutschland. Sie wendet sich an den Verfassungsschutz und reicht die Scheidung ein.
Nach dem 11. September sieht sie im Fernsehen Namen und Gesichter, die sie kennt. Ihr eigener Mann gilt als die rechte Hand Bin Ladens. Dann geht alles ganz schnell. Sie kann nur noch ein paar Sachen packen und wird dem BKA übergeben. Über Monate reist sie mit einem Personenschützer durch Deutschland, um ihre Spur zu verwischen. Inzwischen hatte sie sechs Decknamen und hat 60 Mal den Aufenthaltsort gewechselt.
Ein anderer Zeuge, der an dem Programm teilnimmt ist Jerome B. Er hat selbst über Jahre hinweg als Zuhälter auf St. Pauli agiert. Als er immer tiefer in das kriminelle Milieu abrutscht, sieht er nur einen Ausweg, eine lange Haftstrafe zu vermeiden: Er muss andere verraten. Dank seiner Aussage wird ein ranghoher Hells Angel und eine albanische Einbrecherbande verurteilt. Seine eigene Frau und die Kinder haben den Eignungstest für das Zeugenschutzprogramm nicht bestanden und dürfen nicht daran teilnehmen. Sein Preis für den Zeugenschutz ist hoch, er darf keinen Kontakt zu ihnen halten.
Die Reportage zeigt auf sehr sachliche Art das vermeintlich „neue und sichere Leben“ von Menschen, die am Zeugenschutzprogramm teilnehmen. Das, was man sich als Unbeteiligter vorstellt, ist Welten von der Realität entfernt.
Es ist nur sehr schwer vorstellbar, von einer Minute auf die andere seine eigene Identität zu verlieren. Freunde, Familie, Beruf, Alles ist plötzlich anders. Es gibt kein „Rundum-sorglos-Paket“, wie es teilweise auch von den zuständigen Behörden vorgegaukelt wird. Die Angst, enttarnt oder entdeckt zu werden, ist ein ständiger Begleiter im neuen Leben.
Um sich zu schützen, muss man manchmal sogar das eigene Äußere verändern und somit auch das eigene Ich. Für die meisten Menschen, die am Schutzprogramm teilnehmen, beginnt ein sozialer Abstieg. Es gestaltet sich schwer, einen neuen Job zu bekommen, wenn der Lebenslauf inicht stimmig ist gerät man in Erklärungsnot. Es gilt die absolute Geheimhaltung.
Die Banken verweigern Kredite und nicht selten müssen die Zeugen von Hartz4 leben. Zu der wohl schlimmsten Wahrheit gehört, dass sich fast alle nicht bewusst sind, dass sie ihre neue Identität nur auf eine bestimmte Zeit bekommen. Letztendlich muss jeder wieder unter seinem korrekten Namen leben. Mit den damit verbundenen Schwierigkeiten werden die Zeugen allein gelassen.
Es wird aber auch die andere Seite gezeigt. Der Beruf der Zeugenschützer ist hart. Ca. 90% der teilnehmenden Zeugen sind selbst kriminell. In manchen Bundesländern gibt es nur einen einzigen Zeugenschützer und dieser begibt sich an der Seite des Zeugen selbst in Lebensgefahr.
Psychisch eine schwierige Situation, wenn man einen Kriminellen plötzlich beschützen, statt verhaften muss.
Sie sind gezwungen, falsche Versprechungen zu machen, damit die Staatsanwaltschaft die nötigen Zeugenaussagen bekommt.